Sonntag, 20. Mai 2007

Wahrnehmung

Wahrnehmung und die Interpretation derselben ist das, was wir brauchen um handlungsfähig zu sein.

Die Selbst-Wahrnehmung bestimmt mit, wie wir handeln, reden und denken. Die Fremd-Wahrnehmung bestimmt mit, wie andere auf uns zugehen, wie sie unser Handeln interpretieren und wie sie darauf reagieren.

Meine Selbstwahrnehmung ist nicht so, dass ich mich mit dem Bild, das ich von Frauen habe in Einklang bringe könnte. Mein Leben lang hat mich die Diskrepanz zwischen meiner Wahrnehmung von Weiblichkeit und den daraus abgeleiteten Ansprüchen an mich begleitet. Getoppt wurde das Ganze in meiner Jugend und als junge Erwachsene noch von den verqueren Frauenbildern, die mein fanatisch christliches Elternhaus mir mit auf den Weg gab.
Ich tauge nicht zum Revoluzzer - man bat mich das Schreiben doch mit rechts zu lernen obwohl ich Linkshänderin bin und ich tat es. Man sagte mir wie eine gottgefällige Frau zu sein hat und ich versuchte es. Ich entsprach über weiter Strecken zumindest äußerlich dem geforderten Bild - ich suchte nach der Ruhe in mir selbst, dem endlich ankommen - und fand nur Unruhe und Anstrengung. Immer wieder kam es zu Ausbrüchen aus den Mustern, die mich auch nicht sicherer machten in dem WAS und WIE ich nun bin.

Ich heiratete einen Mann, denn ich auch eine Weile liebte - ich habe ein wunderbares Kind, ich war Mutter und Frau - und doch auf dem gefühlten Präsentierteller wenn ich diese, meine Weiblichkeit nach außen trug, so dass in instabilen Zeiten nur der sichere Schlabberlook aus Jeans und T-Shirt mir ausreichend Sicherheit gab.
Eine Berufsausbildung gab mir ein wenig Selbstvertrauen - und in den letzten Jahren, nach der Scheidung, fing ich an mein Außenbild zumindest kognitiv als "wahr" zu aktzeptieren. Ich bin etwas, ich kann etwas, ich werde als kompetent wahrgenommen. Immerhin findet da mein Innenbild so langsam ein Stück in das Außenbild hinein. Ich kann, ich bin.
In diesen Jahren habe ich viel an meinem Gefühl als Frau gearbeitet. Mich als Frau gekleidet, mich als Frau gefühlt und versucht mich als Frau wohlzufühlen.

Insgesamt nehme ich dies im Rückblick als anstrengend wahr. Es kostet mich Anstrengung Frau zu sein - und es bringt mich in eine Verteidigungsstellung. Ganz oft habe ich das Gefühl, ich müsse beweisen, dass ich etwas bin oder kann "obwohl" ich Frau bin. Der Kopf erklärt dies zum Schwachsinn - aber das Gefühl bleibt. Für mein äußeres "Frau-Sein" habe ich immer Anerkennung bekommen - und immer habe ich sie mit einem schiefen Lächeln entgegengenommen.
Gleichzeitig irritiert mich ein Gefühl der inneren Stärke in manchen Momenten als frauliche Frau. Es gab Momente in denen ich mich schön fühlte und stark - ein "seht her!" Gefühl. Auf der anderen Seite aber auch immer der Moment in dem ich rausmusste aus den Frauenklamotten, ganz schnell und etwas "sicheres" anziehen.

Kürzlich erfuhr ich, dass jemand geäußert hat, er habe das Gefühl, ich müsse ihm immer etwas beweisen. Ertappt. Es ist so. Er macht mich unsicher und ich bin in Verteidigungsstellung - mit Hang zum Präventivschlag. Dabei gibt es keinen Grund dafür - nicht den geringsten.

Ich will da raus - ich will sein, wasimmer ich bin.

Ich werde experimentieren mit der Eigenwahrnehmung und mit dem Gefühl dessen was ich glaube darzustellen. Ich bin gespannt auf die Reaktionen, die aus der Fremdwahrnehmung entspringen. Ich werde suchen, nach dem Punkt, an sich die Eigen- und die Fremdwahrnehmung nicht mehr in komplett unterschiedlichen Welten bewegen.

Die neue Selbst-darstellung macht auch erst einmal unsicher - ich habe keine Übung darin, ich kann nur vorsichtige Schritte gehen - den Blick in den Spiegel wagen und schauen in wieweit ich stimme. Ich kann Experimente wagen - und erfahren und wahrnehmen wie ICH mich damit fühle.

Immerhin hat sich meine Fremdwahrnehmung von Frauen merklich verändert, seit ich nicht mehr das Gefühl habe, die Weiblichkeit anderer stelle einen Anspruch an mich. In wieweit ich mich meiner Wahrnehmung meiner selbst äußerlich anpassen kann, kann ich nicht sagen. Zu viel wurde in meinem Leben manipuliert, zu viel habe ich gekämpft darum zu passen - in die Welt und in Bilder von mir zu passen von denen ich glaubte, dass andere sie haben, so dass es schwer fällt ein klares Bild von dem zu finden was ich bin.

Ganz langsam möchte ich wahrnehmen, was sich richtig anfühlt für mich und dann dort verweilen.
Schön, dass ein sehr lieber Mensch vor ein paar Tagen sagte: Du bist so wunderbar entspannt und gar nicht stachelig - das ist sehr schön.

Da möchte ich hin: Da wo ich entspannt bin und selbstverständlich - dann wenn mein Bild von mir dem entspricht, was ich schon immer war.

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