Donnerstag, 24. Mai 2007

Leben mit links

"Ab jetzt leb ich mein Leben mit links"

Diesen Satz habe ich im Herbst letzten Jahres in mein Tagebuch geschrieben.
Letztes Jahr im Sommer habe ich beschlossen mit links zu schreiben. Nachdem meine Umschulung zum Rechtshänder nach außen problemlos verlief und ich nur ab und an Anwandlungen hatte mit links zu schreiben, fiel mir vor zwei Jahren ein Buch in die Hände, das die Folgen der Umschulung darstellte und auch die bestehende Möglichkeit sich zurückzuschulen.

Im Urlaub begann ich täglich zu schreiben - der Einfachheit halber eine Art Tagebuch. So waren meine Gedanken zum Thema und die Veränderungen - und Verbesserungen der Schrift an einem Platz, zusammen mit den Alltäglichkeiten und mit den anderen Dingen, die mich beschäftigten.

Dabei entstand auch dieser Satz:

Ab jetzt leb ich mein Leben mit links.

Er steht für das Schreiben mit links aber auch für die Leichtigkeit des Seins. Er steht dafür endlich auf der richtigen Seite angekommen zu sein. Inzwischen hat sich die Handschrift entwickelt, auch wenn sie immer noch krakeliger ist als die mir rechts - kein Wunder rechts hat 34 Jahre Vorsprung.

Die Entscheidung mich umzuschulen, oder zumindest einen Versuch zu wagen war im Prinzip eine, die lange gegärt hat, reifen musste und einen mutigen Zeitpunkt brauchte, da ich auch auf Arbeit viel von Hand schreiben muss -und andere das lesen. Die Umsetzung hat mich unsicher gemacht - und tut es manchmal noch, aber insegsamt ist es für mich richtiger mit links zu schreiben.

Jetzt bleibt noch das Leben auch mit links zu leben - im übertragenen Sinne, also richtig zu leben - nicht verquer.
Immer schon fühlte ich mich irgendwie daneben, entsprach mein Gefühl des Seins nicht dem was ich glaube was von außen in mir gesehen wird. Ein Gefühl des Danebenstehens und des außerhalb meiner selbst agieren müssen, damit ich funktioniere in dieser Welt.

Jetzt stehe ich wieder vor so einer Entscheidung - und als ich heute Nacht, während eines ruhigen Dienstes darüber nachdachte, fiel mir meine Rechts-Links-Umschulung ein - UND, dass ich da auch nicht vorher wußte, ob es die richtige Entscheidung ist. Es war ein Sprung ins kalte ungewisse Wasser, im Hinterkopf mit den möglichen unangenehmen Folgen die dies haben kann, wenn man seinem Gehirn einen solchen Stress zumutet. Ich habe mich herangetastet.

Meine liebe Freundin, die mir interessiert zuhört, wenn ich über mein Durcheinander berichte und mir Mut macht hinzuschauen und auszuprobieren und gleichzeitig ergebnisoffen einfach hinter mir steht, meinte: "Vielleicht musst du das jetzt ganz heftig ausprobieren, das mit dem Mann fühlen um nachher wieder zurückzuschwenken" Vielleicht ist das so. Vielleicht habe ich aber auch den "Point of no Return" innerlich schon überschritten indem ich mir erlaube mich intensiv mit der Thematik auseinanderzusetzten - zum ersten Mal im Leben - denn auch diese Thematik gärt schon lange in mir. Ich bin froh über ihre Gelassenheit zum Thema - und das sie meint, sie mag mich halt einfach und sie hat sich noch nie Gedanken gemacht, ob ich nun eher männlich oder weiblich sei - ich sei halt einfach L. Und so schrieb sie mir einen Brief, der mich zum Lächeln brachte, als ich ihn aus dem Briefkasten holte, weil in der Adresse "E.-Leon" stand - du bist ein Schatz mein Schatz!

Ist das mein Weg zum Leben mit links? Bin ich falsch in dem wie ander mich wahrnehmen? Habe ich versucht diesen Wahrnehmungen zu entsprechen und dabei meine Selbstverständlichkeit dessen wie ich bin verleugnet. Ich will da hin - da wo ich mit links leben kann. Mehr Leichtigkeit - weniger Mühsal.

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