Mein Leben ist gerade atemlos. Am Montag starte ich den ersten Job meiner Freiberuflichkeit das ist aufregend und in den letzten fünf Wochen habe ich vieles zu erledigen gehabt.
Jetzt ist alles getan - außer die Bude aufgeräumt, die Steuererklärung abgeschickt, das Auto gewaschen, der Arzttermin gemacht usw. usw. usw. und ich bekomme auch nichts auf die Reihe.
Heute hatte ich Fototermin, ich brauche Bilder für meinen Lebenslauf und solche für die Homepage die entstehen soll -will ich in Zukunft mir doch einen eigenen Kundenstamm aufbauen und nicht mehr auf Vermittlungsbörsen angewiesen sein. Ich hasse Fototermine, aber dieser hat mich glücklich gemacht - ich kann tatsächlich auf Bildern freundlich aussehen.
Danach bin ich zu meiner alten Arbeitsstelle - also der vorletzen - gefahren und habe ein paar Schwätzchen gehalten um die Zeit zu überbrücken, bis die Bilder fertig sind. Nein zurück möchte ich nicht, nicht unter den Bedingungen wie sie damals waren - und ich möchte gerade auch nicht zurück unter die Fuchtel eines Arbeitsgebers. Die Stelle, für die ich mich vorgestellt hatte, am Rande des Schwarzwaldes, vor zwei Wochen, werde ich trotz guter Gespräche, einer guten Hospitation und regem Interesse des Arbeitgebers, absagen. Mein Gefühl dazu ist nicht gut, schon bei dem Gedanken daran, dass dort mein Arbeitsplatz sein soll, ich den Dienst- und Urlaubsplänen, den Gepflogenheiten ausgeliefert sein würde, macht eine Enge in mir, die sicher nicht gut ist.
Dieses mal habe ich schon im Vorfeld entschieden: Ich höre auf meinen Bauch! Und der sagt,"Llass es! Egal was der dumme Verstand für tolle Argumente hat!"
Ich habe meine Liebste besucht - meine Freundin und geliebten Menschen seit nunmehr fast 30 Jahren. Wir haben ein seltsames Hobby, wir spielen ganze Nächte durch, so wie man als Kind spielt, wenn man "Vater, Mutter, Kind" oder "Cowboy und Indianer" spielt. Wir brauchen dazu keine Requisite und natürlich sind unsere Spiele und unserer Charaktere differenzierter, als sie das zu Kindertagen waren. Es ist eine Leidenschaft in diese erfundenen Welten einzutauchen - auf meiner Homepage (Texte|Home) findet man einige Geschichten, die aus dieser Welt stammen. Über die vielen Jahre, die wir dieses Hobby nun betreiben, habe ich gelernt und gesehen: Alle meine Charactere haben Eigenschaften, die ich auch habe. Manche habe ich lange nicht gesehen, weil es nur ganz kleine Facetten meiner selbst sind und manche mag ich auch nicht - die Facetten, nicht die Charaktere. In diesen schönen und langen Nächten habe ich Facetten an einem meiner Charaktere entdeckt - im Zusammenspiel mit dem Gegenüber, meiner Freundin in ihrer gerade gewählten Rolle. Es hat mich überrascht, was mit meiner Figur passiert, wie sie agiert und was Gutes aus diesem, für sie eigentlich untypischen. Verhalten erwächst.
"Komm doch mal runter! Setzt dich hier her zu mir und werde still!" sagt mein Gegenüber zu meiner Figur und diese nutzt diese Angebot um runterzufahren und seine Mitte zu finden.
Nach meinem Besuch beim alten Arbeitgeber habe ich dann meinen alten Mentor an der Straßenbahnhaltestelle gesehen - fast hatte ich gehofft ihn zu sehen. Ich wollte ihn sowieso anrufen, anschreiben, wieder Kontakt aufnehmen. Er hat eigentlich nie Zeit - zumindest nicht ungeplant - ich sagte: "Komm, nur kurz auf ne Cola, 10 min. der Pizzaria gegenüber", er ist mitgekommen und ich habe kurz erzählt was mir widerfahren ist. Zum Abschluss sagte er: " Du bist völlig aufgespult! Du musst wieder runterkommen!"
Mir blieb der Mund fast offen stehen - es stimmt, ich muss wieder runterkommen, ich brauche einen Ort der Ruhe und meine Mitte wieder, Struktur und Klarheit.
Ich habe das Bedürfnis Szenen unserer nächtlichen Phantasien zu malen. Ich werde Malsachen mitnehmen in den Ruhrpott - vielleicht ist es möglich kreativ zur Ruhe zu kommen, zu Malen nicht um des Ergebnisses willen, sondern um der Unruhe, der Sehnsucht und der Rastlosigkeit einen Platz zu geben.
Und schreiben möchte ich - gestern habe ich schon angefangen und einen Text anderswo eingestellt, der viel positive Resonanz bekam. Gefreut hat mich vor allem ein Kommentar einer Leserin, die den Fluss des Yin und Yang darin fand. Das hat mir ein Lächeln aus Gesicht gezaubert - ja, ganz viel Yang in mir - und damit wären wir auch endlich wieder mal beim ursprünglichen Thema.
Morgens im Bloggercafé
vor 6 Jahren