Dienstag, 30. Oktober 2007

hellmitteldunkelgrauschwarzweiß

Viele Worte ringen um Erklärung, um logische Zusammenhänge, um Schuldige oder Denkfehler. Lange hitzig geführte Diskussionen darum warum ein trans*-Mensch trans* ist und woran er das jetzt festmacht. Liegt es nicht nur an der Gesellschaft die nur schwarz und weiß kennt - und wenn man davon ausgeht, dass es generell kein schwarz und weiß gibt, sondern das nur konstruiert ist, warum wollen Menschen die sich als trans* bezeichnen nicht einfach grau bleiben, so wie alle andern auch grau sind, selbst wenn sie sich als schwarz oder weiß bezeichnen?

Theorie, gesellschaftswissenschaftlich angehaucht, erklärt und sucht händeringend Beispiele dafür, dass trans* nicht nötig sei, dass es nur an der Beleuchtung liegt und dann sei weiß auch schwarz oder schwarz auch weiß - oder eben hellgrau.

Dabei ist alles nur gefühlt. Nicht logisch, nicht wissenschaftlich - nur empfunden - weiß oder schwarz gefühlt, obwohl alle das Gegenteil behaupten, alle das Gegenteil sehen, sogar man selbst. Weiß gefühlt, obwohl man manchmal so ist wie Schwarz. Schwarz gefühlt, obwohl man die eigenen weißen Eigenschaften fühlt.

Abstrus. Ja - das ist abstrus, wenn man es vom logischen Standpunkt her erklären will.

Gefühlt bin ich weiß oder schwarz , oder manchmal weiß und manchmal schwarz, oder meistens weiß und selten schwarz oder selten weiß und meistens schwarz - oder gar nichts oder beides?
Wer mag das messen?
Wer mag das beurteilen?
Wer kann die Authentizität dieses Fühlens in Zahlen fassen ?
Wer kann entscheiden ob ein bißchen dunkelgrau schon reicht um sich schwarz zu fühlen?
Wer kann verbieten sich ein bißchen hellgrau, schon weiß zu fühlen?

Warum ist Schwarz oder Weiß oder Mittelgrau erstrebenswert - warum nicht schwarz handeln obwohl man weiß ist - oder weiß reden obwohl man schwarz ist?

Ist es wahr, was gefühlt ist?

Wenn es wahr ist, dann reicht gefühlt auf alle Fälle.
Und wenn ich weiß bin nach den Kriterien der Gesellschaft und ich fühle schwarz, dann brauche ich das nicht erklären.
Und wenn ich schwarz bin für jeden der mich sieht und weiß fühle, dann fühle ich nicht mittelgrau.
Und wenn ich hellgrau bin und dunkelgrau fühle, dann ist es mein gutes Recht mich auch dunkelgrau anzumalen, damit jeder sieht wie ich fühle.

Ich hab mich gut gefühlt - nicht mehr und nicht weniger... und dieses gute Gefühl trägt mich noch heute.

Sonntag, 28. Oktober 2007

Der Mann hat Ausgang

Gestern abend wollte ich seit Ewigkeiten mal wieder mit meiner Freundin ausgehen. Die Lust ging ziemlich flöten, nach dem der Tag mit einer Mirgräneattacke begann und sich mit Madenbefall im Müsli fortsetzte. Aber nach einem Telefonat mit A. meinte diese, sie würde mich so lange nerven bis ich doch mitgehe.
Also hab ich mich aufgerafft, stand irgendwann ewig vorm Kleiderschrank. Das neue weiße Hemd mit den schwarzen Streifen und dem coolen Schriftzug auf dem Rücken, die grüne Jeans, die schwarze Jeans, die blaue Jeans, mit Pulli, ohne Pulli, mit dem anderen Pulli.... Manche Dinge ändern sich nie. Mich in den Binder gequält... tausend Schichten, aber die Silhouette im Spiegel... ja das hat was! Schließlich eine Entscheidung getroffen - ok, wenn ich heute ausgehe, dann so.

Ich war ein wenig in Sorge, dass ich keine Luft mehr kriege in dem engen Teil, dass ich es nervig finde und auf dem versifften Klo mich rauswurschteln muss - und auch, dass ich komisch angeguckt werde. Das jemand sagt: "Für ne Frau siehst du aber echt Scheiße aus" - und ich nicht weiß wie ich reagieren soll. A. Bekannter T. nebst neuer Freundin hatte sich offensichtlich auch angesagt - würde der komisch gucken? Ich bin noch nicht so weit - bis zu einem echten Coming out im weiteren Bekanntenkreis dauert es noch eine Weile.

Der Laden, ein Club in K. hat immer ein etwas älteres Publikum, man fällt dort mit 40 nicht auf. Die Musik ist selten meine Kragenweite und für meinen Geschmack immer etwas strange, aber die Athmosphäre stimmt. Man braucht nicht gestylt zu sein, alles wirkt so ein bißchen schmuddelig und die sich ständig wandelnde Deko lässt die Blicke schweifen und immer mal wieder was neues entdecken. Eintritt und Getränkepreise sind moderat, das Publikukm bunt gemischt, alles ist zu sehen außer topaktuell gestylt.

Ich setzte mich zunächst an die Bar und warte auf meine Freundin. Ich fühle mich sicher. Später reden wir, tauschen aus was alles passiert ist, wir haben uns so lange nicht gesehen - und noch länger waren wir gemeinsam nicht mehr aus. Sie sagt mir ich hätte mich verändert - also nicht gefühlt, aber sichtbar. Sie würde es an den Reaktionen der Männer merken. "Ich bin sicher!" sagt sie, "ich bin schon in Begleitung eines Mannes hier"und lacht. A. hat keine Angst vor Männern, A. ist ein Eyecatcher mit einer sehr selbstwußten weiblichen Ausstrahlung.

Ich besuche den neuen Innenhof für die Suchtkranken (Raucher) - und stehe dort und schaue mich um, während mein Geld sich in Rauch auflöst. Es ist anders. Ich werde nicht angeschaut - und wenn, dann nicht abschätzend von oben nach unten, er wird keine "Tauglichkeit" ermittelt. Ich stehe einfach da und rauche.
Beim Gang durch die Menge um ein Getränk zu holen geht es mir in einer Weise gut, die ich gar nicht beschreiben kann. Ich habe mich nie unsicher im Sinne von ängstlich gefühlt - nur eben irgendwie komisch, immer bereit mich zu verteidigen, gegen Blicke, gegen Worte. Diesmal kann ich festen Schrittes durch die Menschen meinen Weg finden um z.B. ein Getränk zu holen. Ich kann sein - ich werde nicht taxiert, die Blicke die ich erhalte sind entweder desinteressiert oder irritiert, damit kann ich viel besser umgehen. Beim ersten Gang auf die (Damen-)Toilette - ich passe ja nicht, wie ich schon mal schrieb - bekomme ich nur einen irritiert verunsicherten Blick ab. Beim zweiten Mal schaut mich ein Mädel etwas schüchtern von unten an und murmelt ".. du bist wohl... falsch .. hier?!" Meine Stimme beruhigt sie dann, aber verunsichert wirkt sie trotzdem. Beim Verlassen kommen mir dann zwei Frauen entgegen, die die Außentür nochmal schließen und sich die Beschriftung genau ansehen. Ich hab's nicht richtig gestellt.

Innerlich auf Wolken schwebend kehre ich zu meiner Freundin zurück - Daumen nach oben und glücklich - und erzähle. Sie lacht und erzählt mir, alle ihre Bekannten, die mich nicht kennen, hätten sie gefragt, wer denn der junge (ich lach mich wech) Mann sei, den sie dabei hätte - durch die Bank ALLE. Ich fühl mich einfach nur sauwohl!
A. sagt mir, dass für sie alles so ist wie immer - wir sind schon seit über 10 Jahren befreundet - sie empfindet mich nicht als anders, aber sie kann die Sicht von außen wahrnehmen, den Blick des Fremden wagen und sie sieht nicht die L. die sie kennenlernte. Es ist ein durch und durch gelungener Abend und ich fahre sehr beschwingt nach Hause.

Heute beim reflektieren habe ich den Unterschied herausfühlen können. Ich habe mich nicht anders gefühlt als ich mich sonst fühle. Diese verworrenen Gedanken der letzten Zeit, dass ich mich weder als Mann noch als Frau sehen kann, kein Gefühl dazu habe, waren an diesem Abend nicht relevant. Ich habe mich gefühlt wie ich. Das machte mich sicher in meinem Auftreten, das machte mich sehr frei im umherschauen und Blicken begegnen.
Im Vergleich mit anderen Abenden als Frau in derselben Lokation, war es selbstverständlicher zu sein. Die Irritationen die ich hervorgerufen habe, haben mich weniger verunsichert, als das Wahrgenommen werden und bewertet werden als Frau. Der Unsicherheitsfaktor als "komisches Wesen", als sehr männliche Frau oder als "ist das jetzt ein Kerl oder nicht" wahrgenommen zu werden hat mich weniger betroffen, als die Blicke die mir als Frau zu anderen Gelegenheiten galten.

Ein sehr gelungener Abend, auch wenn ich diesen Passingerfolg zu nicht unerheblichen Teilen dem Schummerlicht und der lauten Musik zu verdanken habe. Ein Erlebnis das ich unbedingt wiederholen möchte - ich fühlte mich so in mir zuhause, ohne dass ich mich anders denken musste. Es war selbstverständlich so zu sein.

DER Mann kriegt mal wieder Ausgang.

Montag, 22. Oktober 2007

Schnappschuss

Trotz des Titels diesmal kein Bild - oder eher nur ein Stimmungsbild.

Vor zwei Tagen sagte ich im Chat, ich wäre so in Arbeit eingespannt, dass mir wenig Zeit zum Nachdenken bleibt. Stimmt so.

Es ist ein Jahr des Abschiednehmens.
Das Kind wird/ist erwachsen
Ein Tod und die Trauer um den Verlust begleitet mich nach wie vor
Ich mache meine Qualifikation zur Leitung - ein Stück Abschied aus dem Team
Ich frage mich ob ich von meinen bisherigen Sichtweisen zu mir selbst Abschied nehmen muss-soll-will

Die Anforderungen die das Leben stellt sind aber die gleichen geblieben. Die Zeiten fürs Abschiednehmen muss ich irgendwo dazwischen unterbringen. Ich merke, dass dies an meine Kraftreserven geht. So pendel ich hin und her zwischen dem ganz normalen Alltag und den oft nicht effektiv erholsamen Auszeiten und versuche so ganz nebenher noch Trauerarbeit zu machen und mich selbst zu beobachten in dem was ich jetzt bin oder nicht bin - wie ich mich erlebe, wie andere mich erleben und wie ich mein Erleben jetzt einsortieren mag.

Im Moment fordert der Job immens viel. Die Arbeitsbelastung ist seit Monaten so hoch, wie ich es seit Jahren nicht mehr erlebt habe. Letzte Woche dann der Einstieg in die Weiterbildung, viele neue Leute und viel Informationen über das was erwartet wird, bevor wir nächstes Jahr unser Zertifikat in den Händen halten können.

Dazwischen ich.

Schwankend zwischen den Polen, zwischen den Stühlen, mit jedem Fuss auf einem anderen Laufband stehend, ein Stück weit haltlos, weil Vorbilder fehlen und ein Stück weit einsam, weil ich nicht erklären kann - warum ich so bin, wie ich bin.
Auf der einen Seite denke ich bin ich klarer, auf der anderen rufe ich Irritationen hervor, durch mein Auftreten, durch mein Aussehen, durch meine Kleidung.

Immer wieder kehre ich zum Anfang der Überlegungen zukrück - der Körper ist geschlechtsbestimmend und ich habe nur noch nicht meinen Platz als Frau gefunden - um gleich darauf festzustellen, dass ich ihn gar nicht will, den Platz als Frau. Aber der Platz als Mann ist genauso wenig greifbar. Es bleibt alles nebulös. Das eine habe ich erfolglos gesucht - und das andere ist so in meinem Leben nicht mal eben auszutesten. Die meisten Menschen, denen ich tagtäglich begegne, haben auch mit meiner Arbeit zu tun. Dort ist ein coming-out zwar denkbar, aber nicht in der Phase in der ich mich jetzt befinde. Die meisten meiner guten Freunde - die auch Bescheid wissen um mein Ringen - sehe ich nicht täglich. Somit bewege ich mich ständig in einer Frauenrolle und wirke nur ab und an etwas irritierend. Ich bin ein Mensch der im Allgemeinen sehr offen mit seinen Befindlichkeiten umgeht - es fällt mir schwer damit hinter dem Berg halten zu müssen.

So versuche ich meinen Alltag zu regeln und stelle fest, dass ich letzte Woche an zwei Tagen einen Binder trug in der Schule - einfach weil es sich unter dem Hemd besser machte. Noch vor ein paar Monaten hätte ich dies weit von mir gewiesen. Ich betrachte mit Neid meine Mitstreiter und Mitstreiterinnen in der Weiterbildung, die so mit sich im Reinen scheinen, Männer und Frauen.

Irgendwie würde ich es gerne wagen - einen Schritt zu gehen, auszuprbieren, wie sich der neue Name, dessen Unterschrift ich schon geübt habe, anfühlen würde, wenn ihn jemand anders als ich selbst benutze - ein Stück Grenzüberschreitung mit Sicherungsleine.
Ich bin ein kleiner Feigling - schrieb ich es schon mal?

So siehts aus - die Momentaufnahme.